Sonntag, 08. Mai 2011
London ist noch gelassenSchotten werden schwieriger
Nach dem Wahlsieg der Schottischen Nationalpartei (SNP) wird das Verhältnis zwischen der Regionalregierung in Edinburgh und der britischen Regierung mit Sicherheit komplizierter. London stellt klar, dass es eine Abspaltung nicht dulden werde. Es ist juristisch umstritten, ob die schottischen Abgeordneten überhaupt eine Volksabstimmung anordnen dürfen.Die britische Regierung wird sich einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands nach Angaben des dafür in Westminister zuständigen Staatssekretärs nicht in den Weg stellen. "Als Regierung der Vereinigten Königreiches werden wir einem Referendum keine Hürden in den Weg legen", sagte der Staatssekretär für Schottland, Michael Moore, in London. Auch die Details, über welche Form der Unabhängigkeit genau abgestimmt werden sollten, lägen allein in der Hand des schottischen Volkes.
Er persönlich werde als Liberaldemokrat aber dagegen kämpfen, dass sich die Schotten für eine Abspaltung entscheiden, sagte Moore. Neben den "LibDems" sind mit den Konservativen und der Labour Party sämtliche große Parteien gegen die Trennung Schottlands von Großbritannien.
Nachdem die Schottische Nationalpartei (SNP) bei den Wahlen zum Regionalparlament eine absolute Mehrheit erreicht hatte, ist die Jahrhunderte alte Debatte nun wieder neu auf dem Tisch. SNP-Chef Alex Salmond kündigte an, in den kommenden fünf Jahren eine Volksabstimmung durchzuführen. Der konservative britische Premierminister David Cameron sagte, er werde mit "jeder Faser seines Körpers" gegen die Spaltung kämpfen.
Sehr viele Unbekannte
Mit dem historischen Wahlsieg, der der linksliberalen SNP zum ersten Mal seit Einführung des Parlaments 1999 eine absolute Mehrheit gibt, sind nämlich noch lange nicht alle Hürden für eine Volksabstimmung überwunden.
Vor allem ist der Freiheitswille der Schotten keinesfalls so groß, wie oft vermutet wird. Bei Umfragen geben regelmäßig rund zwei Drittel an, lieber weiter Teil des Vereinigten Königreichs bleiben zu wollen. Zu groß ist die Angst davor, es alleine nicht zu schaffen. Beispiel Bankenkrise: Die Royal Bank of Scotland hatte zu den größten Verlierern der globalen Krise gehört. In den Jahren 2008 bis 2010 hatte sie einen Verlust von rund 29 Milliarden Pfund Sterling angehäuft. Ohne Rettung aus London und die Verstaatlichung hätte es womöglich schlecht ausgesehen.
Zudem ist juristisch umstritten, ob die schottischen Abgeordneten überhaupt eine Volksabstimmung anordnen dürfen. Der sogenannte "Scotland Act", der die Rechte und Aufgaben des Parlaments festlegt, sieht nämlich vor, dass Verfassungsreformen und Volksabstimmungen der britischen Regierung in Westminster vorbehalten sind.
Queen weiter Staatsoberhaupt
Ganz klar ist auch noch nicht, wie eine solche Unabhängigkeit überhaupt aussehen könnte. Eine Möglichkeit wäre, dass Schottland zwar seine Finanzpolitik alleine regelt, bei der Außen- und Verteidigungspolitik aber weiter Teil des Vereinigten Königreichs bleibt.
Blick auf Loch Ness. Im Vordergrund die Ruinen von Urquhard Castle aus dem 12. Jahrhundert, die auf einer Landzunge bei Drumnadrochit stehen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Salmond tritt für eine "Partnerschaft unter Gleichen" und eine "soziale Union" ein. Die Queen würde weiter Staatsoberhaupt bleiben, und Schottland würde fürs Erste die britische Pfund-Währung behalten. Zudem gibt es brennende Wirtschaftsfragen: Müsste Schottland einen Teil der Staatsschulden Großbritanniens zurückzahlen? Dürfte es den Gewinn aus seinen reichen Öl- und Gasvorkommen komplett selber einstreichen?
Wie eng die Bindung der Schotten an den Rest der Briten 300 Jahre nach dem Verlust der Eigenständigkeit ist, wird sich zeigen. "Dieser Sieg hat das Potenzial, die Struktur des Vereinigten Königreiches zu verändern", meint der Schottlandkorrespondent der Zeitung "The Guardian", Severin Carrell.
Und auch BBC-Experte Ross Hawkins ist sich sicher: "Das waren Wahlen in Schottland, wie wir sie noch nie hatten. Die Folgen werden noch über Jahre im ganzen Vereinigten Königreich zu spüren sein und die politische Form des Landes womöglich für immer verändern."
dpa